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Crafted for Life – Die nackte Wahrheit

svalbard

Klättermusen Geschichte

Naked Truth

Crafted for Life

Die nackte Wahrheit hinter den Kulissen

Jede Medaille hat zwei Seiten. Das ist die Interpretation unseres Creative Lead’s von "Crafted for Life.”


Ich lese viel zum Thema Bergsteigen und Expeditionen. Schließlich bin ich der Mann für die Werbung. Dabei begeistern mich weniger die heroischen Geschichten von Eroberungen, Entdeckungen oder Erstbesteigungen, sondern die damit einhergehenden Misserfolge und Notlagen. Damit meine ich nicht den krankhaften Drang zur Schadenfreude – natürlich fühle ich mich betroffen, wenn Menschen am K2 ihr Leben lassen. Ich beschäftige mich nur deshalb ständig mit Geschichten über Niederlagen, um auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben. Das Schlimmste wäre, wenn mich die Inspiration überkommen und in mir der verführerische Gedanke keimen würde: „Das könnte ich auch“. Ich weiß, sobald ich mich selbst auf dem Gipfel des Mount Everest oder auf Skiern Richtung Südpol stehen sehe, bin ich raus. Ich kenne meine Grenzen und meine Aufgaben. Ich bin derjenige, der die Geschichten aufstöbert und dann jene Menschen findet, die diese auch tatsächlich erleben und darüber erzählen können. Schließlich bin ich der Mann für die Werbung.

Als ich hörte, dass ich für die Reise nach Spitzbergen auserwählt wurde, um die Tour von zwei erfahrenen Bergsteigern und ihres Könnens zu dokumentieren, bin ich regelrecht erstarrt. Und zwar nicht vom Gedanken an die Kälte (auf das Thema komme ich später zurück), sondern wegen eines winzigen Details am Rande: Eisbären. Ich googelte sofort, wie man nicht von Eisbären gefressen wird – mit wenig zufriedenstellenden Resultaten. Meine Kollegen lachten mich aus und erklärten mir, wie eifersüchtig sie wären, aber ich konnte nur an die Storys über Misserfolge und Notlagen denken.

Layered up
Ich googelte sofort, wie man nicht von Eisbären gefressen wird – mit wenig zufriedenstellenden Resultaten.
Simon, Creative Lead Klättermusen

Mit vier enormen Transporttaschen erreiche ich den Flughafen Longyearbyen. Eine davon ist meine eigene vollgepackte Tasche mit weitaus mehr Dingen, als für eine Woche am Polarkreis benötigt werden. Nach dem Treffen mit dem Produktionsteam und unseren Guides steht mir eine fast fünfstündige Schneemobilfahrt abseits der Zivilisation über den Gletscher bevor. Mich kann schon eine fünfstündige Busfahrt oder ein Flug wegen der mangelnden Beinfreiheit in Unbehagen versetzen. Die Fahrt fühlt sich an wie eine Mischung aus einem Flug mit dem Zauberteppich und einer Runde Achterbahn, mit nur einem Bügel hinter mir als Sicherheitsvorkehrung. An diesem Punkt bin ich dennoch fasziniert von der Schönheit der weitläufigen Landschaft Spitzbergens. Und hier kommen wir auch schon zum ersten Anfängerfehler. So atemberaubend die Umgebung auch ist, zeigt Spitzbergen schnell sein wahres Gesicht – wie eine böse, kalte Stiefmutter, die einen nach ihrer anfänglich herzlichen Begrüßung deutlich spüren lässt, wie unerwünscht man dort ist, wenn man nicht wirklich dazugehört. Und schließlich bin ich nur der Mann für die Werbung.

„Hat jemand eine große schwarze Tasche gesehen?“, frage ich im Zelt. Es ist unser erster Morgen auf dem Gletscher nach einer kalten, dunklen Nacht im Camp und mein Überpacken hat sich, da ich meine komplette Ausrüstung gleichzeitig trage, als Geniestreich erwiesen. „Ja, auf einem der Schlitten“, antwortet einer meiner Teamkollegen. Aber dem ist nicht der Fall. Sie ist weder im Zelt noch draußen, nicht auf einem der Schlitten hinter den Schneemobilen oder im gegen Eisbären gesicherten Lebensmittellager zu finden. Die Tasche mit dem meisten Equipment von Klättermusen, das wir zu Testzwecken mitgebracht haben, hat sich in der kalten Luft aufgelöst.

Es dauert einen ganzen Produktionstag, um sie zu finden – nicht auf den langen, verlassenen Wegen zurück in Richtung Longyearbyen, sondern auf Facebook, mit klaren Angaben, wo sie gefunden wurde und wo sie abgeholt werden kann. Die Kriminalität auf Spitzbergen ist sehr niedrig, vielleicht wegen der Schwierigkeiten, mit Diebesgut an so einem abgelegenen Ort ungesehen davonzukommen. Oder vielleicht sind die Leute hier doch einfach ehrlicher. Ein verlorener Tag ist okay. Damit muss man auf solchen Reisen einfach rechnen. Ich versuche, ein positives Mindset beizubehalten und bin froh, dass die Tasche wieder aufgetaucht ist. Ich denke mir, dass morgen ein großartiger produktiver Tag bevorsteht und krieche in meinen Schlafsack, um mich vom beruhigenden Surren unseres Rettungsankers, dem Generator, in den Schlaf wiegen zu lassen. Das einzige Problem ist nur, dass es plötzlich still wird.


Es herrschen -40 Grad und unser Generator verträgt die Kälte nicht. Nach einem weiteren verlorenen Produktionstag (wegen der Suche nach einem neuen Generator) hält mich nur mehr die Tatsache aufrecht, dass ich nicht der Erste bin, der einem gewissen Maß an Druck nicht gewachsen ist. Was mir hingegen Sorgen bereitet, sind die ersten Frostschäden. An meinen Fingerspitzen haben sich große Blasen gebildet und ich merke schnell, wie das Gefühl in ihnen schwindet. „Nicht meine Fingerspitzen, alles außer meiner Fingerspitzen“, schallt es in meinem Kopf. Die brauche ich wirklich, sie sind mein Lebensunterhalt! Schließlich bin ich der Mann für die Werbung.

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frozen fingers
Nicht meine Fingerspitzen, alles außer meiner Fingerspitzen“, schallt es in meinem Kopf. Die brauche ich wirklich, sie sind mein Lebensunterhalt!
Simon, Creative Lead Klättermusen

An dieser Stelle hast du hoffentlich bereits die Dokumentation über die Reise gesehen. Denn was du gesehen hast, ist die Realität. Diese besitzt jedoch viele Gesichter. Hinter der Schönheit und den Geschichten verbergen sich immer wieder andere Seiten. Doch das macht die Sache erst richtig spannend. Eine Erfahrung ist immer subjektiv, vollkommen abhängig von der jeweiligen Person. Was für den einen bloß als tägliche Herausforderung gilt, stellt für den anderen ein unüberwindbares Hindernis dar. An diesem Punkt fühlte ich, dass dies nun mein ganz persönlicher Beitrag zu den Geschichten des Scheiterns wird. Eine Rückkehr mit leeren Händen. Das hätte das Narrativ natürlich komplett verändert. Ohne die visuelle Dokumentation wäre ich eher zu einem tatsächlichen Expeditionsteilnehmer geworden als zu einem unbedeutenden Beobachter. Das hätte mir den Spitznamen „der Werbetyp“ aberkannt und mich als einen einfachen Abenteurer tituliert. In diesem Fall wäre mein Scheitern zur Erfolgsgeschichte geworden.

Doch leider ist es mir gelungen. Ich bin nicht mit leeren Händen zurückgekommen. Hoffentlich gefällt dir die Story, und wenn nicht, denk daran, dass es Geschichten hinter den Kulissen gibt. Und apropos: Lädst du mich auf ein Bier ein, verrate ich dir vielleicht auch die Geschichte mit der Latrine, eine Anekdote mit allen Elementen, die eine epische Geschichte beinhalten sollte: Angst, Spannung, Exposition und Feuer sowie einer Dramaturgie, so fesselnd, dass bestimmt kein Auge trocken bleibt. Schließlich bin ich der Mann für die Werbung.

Simon,
Creative Lead, Klättermusen

Simon, creative lead

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